Werner Faymann ist ein österreichischer Politiker, seit dem 8. August 2008 Bundesparteivorsitzender der SPÖ und seit dem 2. Dezember 2008 österreichischer Bundeskanzler.
Haltung der Sozialdemokraten im EU-Parlament sehr erfreulich
Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann zeigte sich erfreut über die Ablehnung der Fraktion der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament hinsichtlich von Schiedsgerichten im Rahmen der Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA (CETA und TTIP).
"Ich vertraue den nationalen Gerichten in Europa, wir brauchen keine privaten Schiedsgerichte", hielt Faymann einmal mehr fest - "ich freue mich sehr, dass die Sozialdemokraten im EU-Parlament das genauso sehen und somit auf einer Linie mit der SPÖ sind. Die Europäische Kommission hat jetzt diese sozialdemokratische Position in den Verhandlungen zu berücksichtigen, denn die grundsätzliche Zustimmung zu Verhandlungen ist nicht mit einer Zustimmung zu jedem Ergebnis gleichzusetzen."
Außerdem bekräftigte Bundeskanzler Faymann einmal mehr seine drei Forderungen für CETA und TTIP. Erstens müssten die Verträge durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden, zweitens dürfe es keinerlei Unterwanderung europäischer Qualitätsstandards geben und drittens lehne man die Einsetzung privater Schiedsgerichte statt ordentlicher Gerichte klar ab.
Paul Krugman ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Princeton University, Centenary Professor an der London School of Economics, Sachbuchautor und Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften 2008. Krugman ist Begründer der Neuen Ökonomischen Geographie. In den Vereinigten Staaten ist er besonders durch seine wöchentlichen Kolumnen in der New York Times über Fachkreise hinaus bekannt geworden.
In seiner Kolumne für die New York Times schreibt Paul Krugman, er sei eigentlich ein Freund des Freihandels. Mehr noch, er hält viele Befürchtungen von Kritikern für übertrieben. Aber er sagt auch: “Meine Nackenhaare stellen sich auf und mein Misstrauen wächst, wenn ich den Befürwortern zuhöre.”
Lobbyisten verbreiten absurde Behauptungen
Krugman verweist auf die Empfehlungen des Chefs des US-Unternehmensverbands Chamber of Commerce, Tom Donohue, für mehr Wachstum. Ganz oben auf der Liste der von dem Lobbyisten empfohlenen Maßnahmen, steht als allerhöchste Priorität der Abschluss der Abkommen TTIP und TPP (der transpazifischen Schwester). Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schreibt “Von einem solchen Abkommen sind signifikante Wohlstandsgewinne zu erwarten.” Diese Behauptung, so Krugman, ist absurd und beunruhigend. ...
18.02.2015 - Kurier - Österreich
Franz Fischler war von 1995 bis 2004 EU-Kommissar für die Landwirtschaft und ist heute unter anderem Präsident des Forums Alpbach. Der Ex-EU-Kommissar ist für den Pakt, aber "nicht bedingungslos" – den großen Wurf erwartet er nicht.
Nur mit "50 zu 50" bewertet Franz Fischler, langjähriger EU-Agrarkommissar, die Chancen für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP). Allerdings wolle keine Seite die Schuldige sein, wenn die Verhandlungen noch scheitern. Es werde deshalb "sehr wahrscheinlich" ein Abkommen geben, dass Tausende Seiten umfasst, aber "nicht wahnsinnig substanziell" ist. Vielfach werde man sich wohl mit Absichtserklärungen behelfen müssen.
Fischler ortet nämlich eine Vielzahl von Hürden. Am einfachsten sei noch der Abbau der (wenigen) Zölle zu erreichen, die es zwischen den USA und der EU noch gibt. Hingegen seien riesige Kapitel wie die Urheber- und Patentrechte unerledigt.
Als besonders heikel wertet der erfahrene Verhandler die Standards: Das habe sich schon beim 2006 unterzeichneten Weinabkommen der EU mit den USA gezeigt. "Jeder will seine Standards beibehalten. Aber was ist, wenn neue eingeführt werden?"
Fischler bezeichnet sich als Befürworter des Abkommens, aber mit Vorbehalten. "Wenn die Bedingungen passen, wäre das für Europa der derzeit größte vorstellbare Wachstumsschub." Seine rote Linie lautet: "Die europäischen Standards müssen bleiben." Absolutes Minimum seien klare Kennzeichnungsvorschriften, damit der Konsument die Wahl hat. ...
Die privaten Schiedsgerichte in den Freihandelsabkommen CETA und TTIP verstoßen möglicherweise gegen Verfassungsrecht. Ein früherer Verfassungsrichter sieht in den entsprechenden Klauseln einem Zeitungsbericht zufolge einen Systembruch des Völkerrechts.
Prof. Dr. Siegfried Broß ist Richter geworden, weil er wollte, dass sich der Stärkere nicht allein aufgrund seiner Position durchsetzt. Anlässlich seines Vortrags über „Grundrechte und Grundwerte in Europa“ im Internationalen Forum am ZAK, sprach er mit dem Mitarbeiter Felix Grünschloß.
"München - Die in den geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) enthaltenen Sonderrechte für Investorensind hoch umstritten. Die Kritik an den
Schutzklauseln bringt Bundesregierung und EU-Kommission immer stärker in Bedrängnis. Jetzt meldet auch der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Siegfried Broß, in einem
Zeitungsbericht Bedenken an.
Die Sonderrechte für Investoren, die in den Verträgen mit Kanada und den USA eine wichtige Rolle spielen, verstoßen nach seiner Auffassung gegen nationales und internationales Recht. "Deutschland und die EU dürfen diese Abkommen mit den jetzt bekannt gewordenen Klauseln über Investorschutz und private Schiedsgerichte nicht abschließen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Diese Klauseln verstoßengegen deutsches Verfassungsrecht, Recht der EU und bedeuten einen Systembruch des Völkerrechts" ...
Leben mit der Energiewende TV - Veröffentlicht 05.12.2014
Chlorhühnchen, Gen-Essen, insgeheime Verhandlungen zwischen 600 Lobbyisten und wenigen EU-Politikern, Milliarden-€-Zahlungen an Konzerne für entgangene Gewinne, geheime Schiedsgerichte – 100.000e Europäer unterschreiben gegen etwas, was es noch gar nicht gibt. Die Bürger wollen es nicht – einige Politiker und weltweit agierende Unternehmen umso mehr: TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA.
Professor Dr. Klaus Buchner von der ÖDP sagt als Mitglied des Europäischen Parlaments: TTIP steht dafür, die Daseinsvorsorge der
Kommunen wie Wasser-, Strom- und Wärmeversorgung, Abfallwirtschaft, Krankenhäuser, Schulen uam konsequent zu privatisieren. Länder haben keine Möglichkeit mehr, sich gegen umweltschädliche
Techniken wie Fracking oder Gentechnik zu wehren.
Ulli Leiner, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Bayern, kommt gerade von einer USA-Reise in Sachen TTIP zurück. Seiner Einschätzung nach wird der Wegfall von Zöllen die landwirtschaftliche
Produktion in Europa massiv betreffen. „Wenn die Futtermittel günstiger werden, wird ihr Einsatz in der Tierhaltung rentabler und die Produktion wird weiter von der Fläche entkoppelt.“ Das Aus
für Berg- und Biobauern?
Petra Filbeck, Umweltaktivistin aus dem Raum Regensburg, kämpft gegen den US-Konzern Monsanto und dessen Agrargift Roundup. Praktisch alles auf so behandelten Böden sterbe – nur Monsantos
transgene Saaten überlebten. Deutschland hat 2007 den Genmais „Mon810“ verboten – mit TTIP kommt er durch die Hintertür, oder wir bezahlen dem Konzern Milliarden für entgangene Umsätze.
Aufzeichnung aus Kempten/Allgäu; Moderation Thomas Link & Ute Wolfangel
01.10.2014 - Internationale Politik und Gesellschaft
Dr. Dierk Hirschel ist Bereichsleiter für Wirtschaftspolitik, Europa und Internationales der Gewerkschaft ver.di. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Hamburg und Bremen und promovierte zu Ursachen hoher Einkommen in Lüneburg. 2003 bis 2010 war er DGB-Chefökonom. Der Bereich Wirtschaftspolitik beschäftigt sich fachbereichsübergreifend mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung und Wirtschaftspolitik, der Verteilungspolitik, der Beschäftigungspolitik, der Finanz- und Steuerpolitik, der europäischen Wirtschaftspolitik sowie mit ausgewählten Branchen und ökonomischen Aspekten der Sozialpolitik.
"… Die treibende Kraft der handelspolitischen Globalisierung sind die transnationalen Konzerne. Wer im Wettbewerb bestehen will, muss ständig neue Produkte und Produktionstechniken einführen. Je
mehr verkauft wird, desto niedriger die Kosten pro Stück. Am günstigsten ist es, den ganzen Weltmarkt zu beliefern. Folglich nahm der Einfluss der großen Multis zu, die grenzüberschreitend
produzieren und vermarkten: Ihre Zahl stieg in drei Jahrzehnten von 35.000 auf über 82.000. Sie sind die treibende Kraft der handelspolitischen Globalisierung. […]
Immer wieder wurden bestimmte Unternehmensinteressen als Allgemeininteresse verkauft und riesige Arbeitsplatzgewinne in Aussicht gestellt. Der schrankenlose europäische Handel sollte zwischen zwei bis fünf Millionen neue Jobs schaffen. Pustekuchen! Auch beim Abbau der Handelsschranken zwischen den USA, Kanada und Mexiko wurden allein für die Vereinigten Staaten jährlich 170.000 neue Stellen prognostiziert. Tatsächlich aber gingen zwischen New York und Los Angeles eine Million Jobs verloren. [...]
Laut einer Studie im Auftrag der EU-Kommission soll TTIP der EU bis 2027 eine Wirtschaftssteigerung von 0,5 Prozent bescheren - das ist jährlich ein Plus von 0,034 Prozent. Darüber hinaus prophezeit die wirtschaftsliberale Bertelsmann-Stiftung 180.000 neue Jobs für Deutschland – 13.000 pro Jahr. Solch bescheidene Zuwächse liegen im statistischen Unschärfebereich. Das Ganze ist Kaffeesatzleserei, keine empirische Wirtschaftswissenschaft. …“ Zum vollständigen Beitrag auf IPG
Lori Wallach ist Direktorin von Public Citizen, der von Ralph Nader gegründeten größten Verbraucherschutzorganisation der Welt, und dort auch Leiterin von Global Trade Watch. Maßgeblich war sie beteiligt an der Organisation der Proteste gegen die dritte WTO-Ministerkonferenz 1999 in Seattle, die von vielen als die Initialzündung der globalisierungskritischen Bewegung in der westlichen Welt angesehen werden. Sie ist Vorstandsmitglied des International Forum on Globalization (IFG).
ISDS-Klauseln / Investorenschutz
"... Mit Hilfe von ISDS-Klauseln kann ein Investor im Streitfall den Rechtsweg umgehen. Vor einer außergerichtlichen Schiedsstelle kann er gleich einen ganzen Staat auf Entschädigung verklagen, falls seiner Ansicht nach Profite seiner Investition wegen nationaler oder europäischer Entscheidungen verloren sind. ...
Neu sind solche Regeln nicht. Sie sind bilateral vor allem dort verbreitet, wo es darum geht, grundsätzliches Vertrauen zu schaffen und ausländische Investitionen in ein Land zu holen. Neu ist, das die Amerikaner offenbar meinen, die gesamte EU unter Generalverdacht stellen zu müssen, ein unsicherer Kantonist zu sein.
Wenn das TTIP-Abkommen solche Bestimmungen für die ganze EU treffen sollte, wären über 50.000 amerikanische Investoren in der Lage, Europa mit Entschädigungsklagen zu überziehen. Die Europäer wären gut beraten, diese potenzielle Bedrohung ihrer öffentlichen Haushalte und Souveränität weniger blauäugig einzuschätzen als bisher. Seit die großen Anwaltskanzleien diesen Wachstumsmarkt entdeckt haben, steigt die Zahl von ISDS-Klagen weltweit deutlich an. Allein in den letzten drei Jahren wurden jeweils über 60 Versuche unternommen, auf diese Weise Staaten zu drangsalieren. Diese Zahlen werden unweigerlich in die Höhe schießen, wenn das TTIP es zulässt. ...
Heute geht es nur noch selten um harte Kapitalenteignung, sondern es werden Klagen gegen souveräne nationale Politikentscheidungen angestrengt, was die Idee von ISDS pervertiert. ...
Für die betroffenen Staaten entstehen auf diese Weise erhebliche Haushaltsrisiken und Planungsunsicherheit. Eine große ISDS-Klage kann sogar die Bewertung der Kreditwürdigkeit eines Staates durch die Ratingagenturen verschlechtern. ..."
Lori Wallach im Interview ab Sequenz 14:47 || ZDFzoom - Geheimsache Freihandel - 21.05.2014
11.11.2014 Recht im Kontext - Verfassungsblog on Matters Constitutional
Selbstermächtigung und Selbstentmachtung in einem – die Europäische Union und der Investorenschutz nach CETA
Prof. Dr. Axel Flessner ist emeritierter Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Humboldt-Universität Berlin.
"... Es zeigt sich, dass der Investorenschutz nach der Art von CETA vollkommen querliegt zu den Grundsätzen, nach denen die Europäische Union aufgebaut ist. Gegen diese Feststellung hilft auch nicht das Argument, dass der Investorenschutz dieser Art seit mehr als 30 Jahren die Praxis der internationalen Staatsverträge ist. Das Argument der ständigen Staatenpraxis hört sich vielleicht im Völkerrecht gut an. Hier aber geht es um das innere, mühsam austarierte Verfassungsrecht der Union (und auch um das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten). Die internationale Staatenpraxis hat hier gegen die Verfassungsurkunde keine Kraft. Und für die EU gibt es auch noch keine solche “ständige Praxis“. CETA ist das erste Abkommen dieser Art, das die Union nach dem Willen ihrer Kommission abschließen soll. ..."
Oktober 2014 - Juristisches Kurzgutachten zu CETA im Auftrag von attac/München
Im Auftrag von Attac München haben Professor Dr. Andreas Fischer-Lescano (Zentrum für Europäische Rechtspolitik, Universität Bremen) und Johan Horst (LL.M., Georgetown, Sonderforschungsbereich „Staatlichkeit im Wandel”) ein Rechtsgutachten erstellt.
Europa - und verfassungsrechtliche Vorgaben für das Comprehensive Economic and Trade Agreement der EU und Kanada (CETA)
Auszug
Das CETA ist ein „gemischtes Abkommen “. Es kann nur in Kraft treten, wenn die EU und die Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren. Unter dem Grundgesetz ist dafür nicht nur die Zustimmung des Bundestages, sondern auch des Bundesrates notwendig.
Die Einführung von Investor-¬Staats-¬Schiedsgerichten im CETA verletzt das Im Unionsrecht (Art. 19 EUV iVm Art. 26 3 ff. (EUV) und im Grundgesetz verankerte richterliche Rechtsprechungsmonopol (Art. 92 GG). Der EU fehlt zudem die Kompetenz, ein solches Verfahren auf Portfolioinvestitionen und den Bereich der Finanzdienstleistung zu erstrecken.
Das CETA verletzt den verfassungs- und unionsrechtlich verankerten Grundsatz der Demokratie durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „indirekte Investition“ und „fair and equitable treatment“, die die demokratische Gestaltung der Wirtschafts-¬ und Sozialordnung durch die Einräumung von Schadensersatzansprüchen unverhältnismäßig einschränken und deren Auslegung einem demokratisch nicht legitimierten Ausschusssystem überantwortet wird, das seine Spitze im Joint Committee findet. Das Europäische Parlament und die nationalen Legislativ-¬ und Exekutivorgane sind nicht hinreichend in dieses System eingebunden. Der Union fehlt zudem im Hinblick auf eine Reihe von Regelungsbereichen die Kompetenz zur Errichtung der Ausschüsse, weshalb Entscheidungen nicht in Ausschüssen gefällt werden dürfen, in die nationale Organe nicht eingebunden sind. ...
04.11.2014 - Patrick Schreiner im Interview mit Prof. Dr. Scherrer
Direktor des International Center for Development and Decent Work an der Universität Kassel.
Christoph Scherrer: „Befürchtungen über negative Auswirkungen durch TTIP sind berechtigt“
Frage:
Welche negativen Folgen könnte TTIP für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben?
Christoph Scherrer: Wie bereits erwähnt, werden insbesondere Menschen mit am Arbeitsmarkt wenig nachgefragten Qualifikationen unter Druck geraten. Zudem sind Lohnabhängige natürlich auch Konsumentinnen und werden als solche vom Abkommen negativ betroffen. Es gibt aber auch Bereiche, bei denen anzunehmen ist, dass selbst gut ausgebildete Kräfte durch das TTIP schlechter gestellt werden. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen. US-amerikanische Unternehmen sind bestrebt, ihre Überlegenheit im Bereich des Internet auszunutzen, um die europäische Konkurrenz, die ihre Leistungen noch weniger über das Internet anbietet, auszubooten.
Das derzeitige Verhalten von Amazon gegenüber Buchverlagen könnte zukunftsweisend sein. Nachdem nun Amazon fast eine Monopolposition errungen hat, versucht es, die Margen der Verlage deutlich zu kürzen. Ähnliches könnte auch in den Gesundheitsdienstleistungen erfolgen. So sind US-Firmen bereits in der Telemedizin führend. Wenn sie über das TTIP besser an Patientendaten herankommen, ist zu befürchten, dass sie den Pharmamarkt und die Patientenberatung überrollen werden. Doch auch das verarbeitende Gewerbe könnte unter der Internet-Dominanz US-amerikanischer Konzerne leiden, die zunehmend darüber bestimmen können, was den Kundinnen angeboten wird. Wer nicht dem Preisdiktat der Internetanbieter Folge leistet, wird es beim Absatz schwer haben. ..."
Den Beschäftigten droht durch das TTIP noch weiteres Ungemach, denn sowohl die EU als auch die USA wollen den Unternehmen ein Klagerecht gegenüber staatlichen Entscheidungen vor einem Sondergericht ermöglichen, ..."
Beitrag
von Annette Sawatzki - Campact 31.10.2014
TTIP, CETA, TISA & Co. „Konzerne versuchen durch die Hintertür – durch geheim verhandelte Handelsabkommen – zu bekommen, was sie im offenen politischen Prozess nicht erreichen”, so Stiglitz.
"... Und dies geht über die Absenkung einzelner Schutzstandards weit hinaus, wie der CETA-Text und die TTIP-Verhandlungen zeigen. ISDS und die Einrichtung eines ebenso mächtigen wie unkontrollierten “Regulatorischen Kooperationsrats” zielen auf eine weitgehende Abschaffung der demokratischen Spielregeln, die solche Schutzstandards überhaupt erst ermöglicht haben. “Es sind die Investitionsschutzabkommen selbst, die die demokratische Entscheidungsfindung am gravierendsten bedrohen“. Demokratisch gewählte Politiker sollten sich diesen Satz merken – und die Abkommen endlich stoppen. [...]
Gleichzeitig gratuliert er der südafrikanischen Regierung, die jüngst mehrere bilaterale Investitionsschutzabkommen gekündigt hat. Solche Abkommen sind kein Sachzwang, sondern veränderbar! Stiglitz fordert andere Länder auf, dem südafrikanischen Beispiel zu folgen. ..." (05.11.2013 Projekt Syndikat - Südafrika bricht aus)
Jeronim Capaldo ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Global Development And Environment Institute (GDAE) der Tufts Universität und beschäftigt sich mit Fragen zur Globalisierung und Entwicklungsprogrammen für nachhaltige Entwicklung. Zur Zeit arbeitet er als Ökonom mit der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) in Genf zusammen. Vor seiner Tätigkeit bei GDAE war er Mitglied im Modellierungs- und Vorhersage Team der UNDESA (Internationale Verband für öffentliches Verkehrswesen), wo er für die Analyse der globalen Beschäftigung in Lateinamerika und die Karibik verantwortlich war. Zuvor analysierte er bei der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels in Afrika und Mittelamerika. Jeronim erwarb einen Laurea cum laude in Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Rom "La Sapienza" und ist derzeit Doktorand der Wirtschaftswissenschaften an der New School for Social Research in New York. Seine aktuelle Forschung konzentriert sich auf Anwendung globaler makroökonomischer Modelle, den Handel und die Finanzpolitik.
Zusammenfassung
Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft wird nach Angaben ihrer Befürworter das Wachstum in Europa und in den USA beleben. Von der Europäischen Kommission gestützte Hochrechnungen weisen auf ein positives, wenn auch zu vernachlässigendes Wachstum im Hinblick auf das BIP und persönliche Einkommen hin. Paradoxerweise zeigen diese Projektionen auch, dass jedwede Zunahmen im transatlantischen Handel zu Lasten des Intra-EU-Handels gehen und den Prozess der europäischen Wirtschaftsintegration umkehren würden.
Außerdem werden in letzter Zeit in der Literatur Probleme bei der einflussreichsten Bewertung der Auswirkungen der TTIP aufgezeigt. Nachweislich beruhen Hochrechnungen verschiedener Institute auf demselben Modell eines rechenbaren allgemeinen Gleichgewichts (englisch: Computable General equilibrium – CGE), das sich als Instrument für handelspolitische Analysen als inadäquat herausgestellt hat.
In diesem Papier untersuchen und bewerten wir die Auswirkungen der TTIP unter Verwendung des Global-Policy-Modells der Vereinten Nationen, welches vernünftigere Annahmen über makroökonomische Anpassungen, Beschäftigungsdynamik und Welthandel
verwendet. Wir prognostizieren, dass die TTIP zu einer Schrumpfung des BIP, der persönlichen Einkommen und der Beschäftigung führen wird. Außerdem gehen wir von einer Erhöhung der Instabilität an den Finanzmärkten und von einem weiteren Rückgang des Anteils der Arbeitnehmer am BIP aus.
Nach einer Bewertung mit dem Modell der Vereinten Nationen scheint die TTIP den wirtschaftlichen Zerfall statt die Integration in Europa zu fördern. Zumindest kann man davon ausgehen, dass die amtlichen Studien keine solide Grundlage für eine fundierte Entscheidung zur TTIP sind.
Die Ergebnisse unterscheiden sich dramatisch von bisherigen bestehenden Einschätzungen. Wir finden, dass:
• TTIP würde zu Nettoverlusten in Bezug auf die Nettoexporte nach einem Jahrzehnt führen, im Vergleich zum Ausgangswert "No-TTIP" -Szenario. Nord europäischen Volkswirtschaften würden die größten Verluste erleiden (2,07% der BIP), gefolgt von Frankreich (1,9%), Deutschland (1,14%) und Großbritannien (0,95%).
• TTIP würde zum Nettoverluste in Bezug auf das BIP führen. Im Einklang mit Zahlen für die Nettoexporte, Nord europäischen Volkswirtschaften wäre die größte BIP Reduktion (-0,50%), gefolgt Frankreich (-0,48%) und Deutschland (-0,29%).
• TTIP würde zu einem Verlust des Arbeitseinkommens führen. Frankreich würde am stärksten betroffen sein mit einem Verlust von 5.500 Euro pro Arbeitnehmer, gefolgt von nordeuropäischen Ländern (-4.800 Euro pro Arbeitnehmer), United Kingdom (-4.200 Euro pro Arbeiter) und Deutschland (-3.400 Euro pro Arbeiter).
• TTIP würde zu Arbeitsplatzverlusten führen. Wir rechnen damit, dass rund 600.000 Arbeitsplätze verloren gingen in der EU. Die nordeuropäischen Länder würden die am meisten betroffen Länder sein (-223.000 Jobs), gefolgt von Deutschland (-134.000 Arbeitsplätze), Frankreich (- 130.000 Arbeitsplätze) und südeuropäischen Ländern (-90.000).
• TTIP trägt zu einer Verringerung des Arbeits-Anteil am BIP bei und führt verstärkt zu einem Trend derzeitige Stagnation. Die Kehrseite dieses Rückgangs ist eine Erhöhung des Anteils der Gewinne und Mieten am Gesamteinkommen, proportional gäbe es eine Übertragung des Einkommens aus Arbeit an Kapital. Die größten Umverteilung wird in Großbritannien stattfinden (7% des BIP, Deutschland und Nordeuropa (4%) von der Arbeit auf Gewinneinkünfte), Frankreich (8%) stattfinden.
• TTIP würde zu einem Verlust von Staatseinnahmen führen. Der Überschuss der indirekten Steuern (wie Vertriebs Steuern und Mehrwertsteuern) über Subventionen werden in allen EU-Ländern zur Verringerung führen, mit Frankreich erleiden die größten Verluste (0,64% des BIP). Staatsdefizite würden in Prozent des BIP in jedem EU-Land steigen und die öffentlichen Finanzen würden näher Maastricht Grenzen kommen bzw. übersteigen.
• TTIP führt zu höherer finanziellen Instabilität und Akkumulation von Ungleichgewichten und senkt den Export Umsatz, Lohnquoten und die Staatseinnahmen ab, die Nachfrage müsste durch Gewinne und Investitionen getragen werden. ..."
Download Langtext der Studie (Englisch)
03.11.2014 - CETA-Verhandlungen überaus intransparent
"Die konservative Regierung hat keine der anderen im kanadischen Parlament vertretenen politischen Parteien konsultiert."
"... Vorausschicken möchten wir, dass die Idee einer Vereinbarung zwischen zwei Rechtssystemen vernünftig und wünschenswert ist. Auf kanadischer Seite genießen der Ausbau und die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen mit der EU die breite Unterstützung des gesamten politischen Spektrums. [...]
Vorausgeschickt sei aber auch, dass die Verhandlungen zumindest auf kanadischer Seite überaus intransparent geführt wurden. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die Gespräche hinter verschlossenen Türen abliefen. Die konservative Regierung konsultierte keine der anderen im kanadischen Parlament vertretenen politischen Parteien. Sie beschränkte ihre Gespräche auf eine kleine Zahl handverlesener Interessengruppen, die strenge Verschwiegenheitsvereinbarungen unterzeichnen mussten.
Auch die kanadischen Provinzen (deren Beschaffungswesen Gegenstand der Verhandlungen waren) wurden nur sehr eingeschränkt informiert und beteiligt. Viele wichtige kanadische Interessengruppen – Gewerkschaftsvertreter, First Nations, Umweltgruppen, Wissenschaftler, Kommunen, gemeinnützige Organisationen und auch viele Wirtschaftszweige – waren völlig aus dem Konsultationsprozess ausgeschlossen. ..."
13.10.2014 Cashkurs - TTIP & Co.: Die Lügenmaschinerie
Schon vor Längerem bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass der Westen einer großen Propaganda- und Lügenmaschinerie gleicht, welche einzig und allein der geheimen Agenda von eigennützigen Partikularinteressen dienlich ist. In diesem Zusammenhang braucht man beispielsweise nur verschiedene Handelsabkommen wie Transatlantic Trade and Investment Partnership oder Trans-Pacific Trade and Investment Partnership zu berücksichtigen. [...]
Nicht einmal dem US-Kongress wurden Einblicke, geschweige denn Informationen, über die Verhandlungen gewährt. Ganz offensichtlich handelt es sich bei den Europäern und Asiaten, die sich mit den Konditionen dieser beiden „Partnerschaften“ einverstanden erklären, um durch amerikanische Konzerne und Unternehmen korrumpierte Statthalter. Falls die beiden Handelspartnerschaften in die Realität umgesetzt werden sollten, wird US-Recht zum einzig existierenden Gesetz in Europa und Asien avancieren. [...]
Die unaufrichtigen „Handelsabkommen“ werden offiziell als „Beseitigung von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen zugunsten des Freihandels“ apostrophiert, doch was durch diese Handelsabkommen tatsächlich beseitigt wird, ist die Souveränität der einzelnen Staaten, die daran teilhaben.
Amerika wird bereits regiert durch Konzerne und Unternehmen. Falls diese unaufrichtigen „Handelsabkommen“ in die Realität umgesetzt werden sollten, werden ab diesem Zeitpunkt auch Europa und Asien durch amerikanische Konzerne und Unternehmen regiert."
Gastbeitrag für CK*wirtschaftsfacts / © 2014 Paul Craig Roberts / Institute for Political Economy
"Ein so langes Vertragswerk ist in sich widersprüchlich"
Max Otte im Gespräch mit Tobias Armbrüster
Armbrüster: Wenn wir mal an die Details gucken, an die groben Linien, die der Kollege Jörg Münchenberg ja gerade aufgezeichnet hat – sollten wir das Ganze, so wie es ist, akzeptieren?
Otte: Nein, auf keinen Fall. Es wurde ja schon darüber gesprochen, dass man mit potenziellen Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum wirbt, aber zehn Milliarden für die EU, das ist ein Klacks. Das Problem ist eben die schleichende Veränderung des politischen Prozesses oder auch die starke Veränderung des politischen Prozesses. Also die tatsächlichen ökonomischen Impulse halten sich sehr in Grenzen. Das muss, wenn man das nüchtern sieht, müssen das auch die Befürworter sagen. Natürlich kann es solche Impulse geben, aber die sind doch relativ gering. Die wahren Interessen sind andere. [...]
Das geht ganz klar bei CETA und auch bei TTIP in Richtung, dass die Konzerne die Regeln machen über ihre Lobbyisten. Und dass die Gesetzgebung zunehmend ausgehebelt wird. Dass also immer mehr des ganzen Prozesses auf die privatwirtschaftliche Ebene geschoben wird. Und die eigentliche Politik immer weniger zu sagen hat. Und das ist das Riesenproblem. Und da ist CETA ein Türöffner. [...]
Die Konzerne definieren immer stärker, was sie wollen. Und letztlich sind die Interessen der Bürgerinnen und Bürger immer weniger gefragt und vertreten.
Film von Friedrich Moser und Matthieu Lietaert || 3sat 30.09.2014 / arte 21.02.2013
Brüssel ist der Ort, auf dem sich Europas Gesetze entscheiden. Kein Wunder also, dass sich hier Tausende Lobbyisten jeglicher Couleur tummeln. Europas Hauptstadt Brüssel gilt nach Washington D.C. als die Metropole des Lobbyismus. Nach einer Schätzung des Europäischen Parlaments haben mindestens 15.000 Interessenvertreter hier ihre Büros. Sie reden mit Abgeordneten und beraten die Kommission. Ihr Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Interessen von Unternehmen, Berufsverbänden oder Umweltgruppen nicht zu kurz kommen. Im besten Fall beliefern sie die Eurokraten mit nützlichen Fachdetails; im schlimmsten Fall versuchen sie, Abgeordnete oder Kommissionsmitarbeiter zu bestechen, was natürlich strafbar ist.
Ganz legal, jedoch höchst bedenklich, ist, wie Lobbyisten die Gesetzgebung steuern und wie dabei die großen Unternehmen und die mächtigen Interessenvertretungen Einfluss nehmen. Ein Beispiel: Am 16. Oktober 2012 trat der europäische Kommissar für Gesundheit zurück. So etwas gehört zum politischen Geschäft, und doch war der Abgang von John Dalli alles andere als gewöhnlich. Denn der Malteser steht im Verdacht, bestechlich zu sein. Ausgerechnet gegenüber der Tabakindustrie soll sich Europas oberster Gesundheitsschützer allzu wohlwollend gezeigt haben.
Die Dokumentation "The Brussels Business - Wer regiert die EU?" fragt, wie weit der Einfluss der Lobbyisten auf Politiker reicht und ob das für unsere Demokratie tragbar
ist.
Anna Cecilia Malmström (* 15. Mai 1968 in Stockholm) ist eine schwedische Politikwissenschaftlerin und Politikerin
der Liberalen Volkspartei. Sie war von 1999 bis 2006 Abgeordnete im Europaparlament und von 2006 bis 2010 schwedische Europaministerin in der Regierung Reinfeldt. Seit Februar 2010 amtiert sie als EU-Kommissarin für Innenpolitik.
EU-Handelskommissarin im Interview mit dem ZDF: Malmström Transparenz bei TTIP verbessern
Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA soll keine Verschlechterung von Umwelt- und Verbraucherschutz-Standards für den EU-Raum bringen. Das versicherte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström im ZDF-Interview: "Wir werden europäische Normen nicht absenken. Das garantieren wir."
Die designierte Handelskommissarin Cecilia Malmström habe zugesichert, bei den Verhandlungen auf Absicherungen zum Investorenschutz zu verzichten. Das teilte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), in Brüssel mit.
Malmströms Kurs wäre schlecht für die Konzerne
Der neuen Kommissarin geht es offenbar vor allem darum, dass die Konzerne den Investitionsschutz nicht vor unabhängigen Schiedsstellen einfordern können. Stattdessen sollen die Streitigkeiten vor normalen Gerichten entschieden werden – was für die Unternehmen ein klarer Nachteil wäre.
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Karel Lodewijk Georgette Emmerence De Gucht (* 27. Januar 1954 in Overmere, heute zu Berlare) ist einflämisch-belgischer Jurist und Politiker (Flämische Liberale und Demokraten). Von 2004 bis 2009 war erbelgischer Außenminister. Er ist seit 2010 Kommissar für Handel in der EU-Kommission Barroso II.
Die anhaltende Kritik an den Sonderklagerechten, die auch Ceta Konzernen gegen Staaten verschafft, wies De Gucht zurück. „Der Investorenschutz in Ceta ist der modernste und transparenteste, den es gibt“, sagte er der F.A.Z.. Nichtregierungsorganisationen könnten sich sogar direkt in die Verfahren einschalten. „Das geht weiter als bei jedem anderen Schiedsgericht“, sagte De Gucht.
„Eine populistische, emotional geführte Debatte“
Europaabgeordneten, Bundesregierung und dem neuen Kommissionspräsidenten Juncker warf De Gucht in diesem Zusammenhang vor, vor dem öffentlichen Druck einzuknicken. Juncker lehne den Investorenschutz in dem geplanten Abkommen mit den Vereinigten Staaten ab – ohne nur ein konkretes Argument dafür vorzubringen. „Das ist eine populistische, emotional geführte – vom Internet angefeuerte – Debatte“, sagte De Gucht der F.A.Z..
Herta Däubler-Gmelin ist eine deutsche Juristin und Politikerin. Sie war von 1998 bis 2002 Bundesministerin der Justiz und gehörte von 1972 bis 2009 dem Deutschen Bundestag an. Seit Oktober 2011 ist sie Gastprofessorin am Lehrstuhl für Systematische Theologie der RWTH Aachen.
08.09.2014 CETA: Verweigerung jeder Transparenz
In den letzten Jahren ist der CETA-Entwurf im Windschatten der Diskussion um TTIP ausgehandelt worden. Seit Anfang August liegt der endgültige Text vor, der 521 Seiten umfasst. Bis heute ist er weder offiziell veröffentlicht, noch den Parlamentariern des Europäischen Parlaments oder der nationalen Parlamente übersandt worden. Für Interessierte: Die englische Version von Anfang August ist dennoch hier abrufbar. Beim Durcharbeiten fällt sofort ins Auge, dass viele der von Bernd Lange an TTIP gestellten Anforderungen bei CETA keineswegs erfüllt sind. [...]
Der CETA -Entwurf verstärkt jedoch zusätzlich Zweifel daran, dass die Sicherung bzw. Vereinbarung hoher gemeinsamer Standards gewollt oder möglich wäre. Diese Probleme weisen nahezu alle betroffenen Regelungsbereiche auf, besonders deutlich jedoch die häufig zugesagten Sicherung hoher Arbeitsstandards. Doch gerade die ist ja erforderlich um zu verhindern, dass die Freizügigkeit von Waren und Dienstleistungen in eine Abwärtsspirale führt. Maßstab dafür ist die verbindliche Vereinbarung zumindest der bekannten Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. CETA sieht deren Garantie jedoch nicht vor. Vielmehr wird schlichtweg akzeptiert, dass Kanada nicht alle Kernarbeitsnormen ratifiziert hat und damit geringere Standards voraussetzt. Auch in diesem für Vergaberecht und Wettbewerb zentralen Bereich bleibt somit die verbindliche Vereinbarung hoher Standards schlicht auf der Strecke.
Dr. Thomas Gamke: Im Bundestag ist er ordentliches Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages sowie bei der Enquête-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Er ist stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sowie im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Außerdem ist Gambke Vorsitzender der ASEAN-Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages.
06.09.2014 GUTEN MORGEN Landshut
"... Nicht nur die vielfach diskutierten sozialen und
ökologischen Standards stünden auf dem Spiel, sondern auch die kommunale Daseinsvorsorge. Entscheidungen unserer Städte und Gemeinden könnten von Konzernen vor internationale Schiedsgerichte
gezogen und mit ruinösen Entschädigungsklagen könnten Rekommunalisierungen unmöglich gemacht werden.
Selbst eine Stadt wie Landshut würde aufgrund allein der Prozesskosten und -risiken sich kaum gegen Klagen von multinationalen Konzernen zur Wehr setzen können, befürchtet Gambke. Damit würde die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden und damit die Basis der lokalen Demokratie empfindlich eingeschränkt. Gerade in Niederbayern seien es oft kommunale Eigenbetriebe und regionale Unternehmen, etwa in der Abfallwirtschaft, die Dienstleistungen in der kommunalen Daseinsvorsorge übernähmen. Und diese eigentlich vernünftige Regionalität könnte angegriffen werden. ..."
Sozialdemokrat kritisiert US-Geheimniskrämerei / CETA: SPD-Europaabgeordnete fordern Nachverhandlungen
bei Abkommen zwischen EU und Kanada
Die SPD-Europaabgeordneten bedauern, dass US-Dokumente zu den Verhandlungen über das Handelsabkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten weiterhin unter Verschluss bleiben.
"... Bernd Lange, SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für internationalen Handel im Europäischen Parlament, kritisiert diese Uneinsichtigkeit: "Als Parlament, das am Ende des Tages über ein Gelingen oder Scheitern des Handelsabkommens entscheiden wird, müssen wir Einblick in alle relevanten Dokumente erhalten", fordert der Sozialdemokrat. Wenn die Vereinigten Staaten keinen Schiffbruch des Handelsabkommens erleiden möchten, lege es in deren ureigenem Interesse, für mehr Transparenz zu sorgen.
Aber auch die breite Öffentlichkeit habe bei einem derart ehrgeizigen und umfassenden Handelsabkommen das Recht, sich über grundlegende Verhandlungsdokumente, wie Positionspapiere und Verhandlungsmandat, informieren zu können. "Mehr Transparenz ist der Generalschlüssel, der die Tür zu einer sachlichen Debatte öffnen kann, damit auch Verbraucherorganisationen, Bürgerbewegungen und andere interessierte Beteiligte einen konstruktiven Beitrag leisten können. Schließlich sind wir auf beiden Seiten des Atlantiks stolz auf unsere aktiven Zivilgesellschaften, die fester Bestandteil unseres demokratischen Verständnisses sind. ..."
Dr. Peter Michael Tauber (CDU) Generalsekretär ist Bundestagsabgeordneter und seit dem 16. Dezember 2013 Generalsekretär der CDU. Peter Tauber ist ordentliches Mitglied im Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss „Digitale Agenda“. In der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages war er Mitglied in der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Am 13. Dezember 2013 wurde er in den Vorstand des Deutschen Kinderhilfswerkes gewählt.
"... Angesichts der breiten öffentlichen Debatte setzt sich die CDU Deutschlands intensiv mit dem Thema auseinander. Ihr Ziel: Sie will ihren Mitgliedern und allen Bürgern die Gelegenheit zu einer umfassenden Diskussion bieten. Dazu hat die CDU umfassendes Informationsmaterial erarbeitet. Eine umfassende Kampagne soll nach der politischen Sommerpause starten.
Für Peter Tauber ist der Umgang mit TTIP eine Grundsatzfrage. Der Generalsekretär der CDU Deutschlands betont: „Für mich geht es dabei auch um die Frage, ob die CDU mutig nach vorne schaut und nach Innovation und Fortschritt strebt. Ich bin persönlich der Überzeugung, dass genau das unsere Aufgabe als Christdemokraten ist. Wir wollen, dass unser Land auch künftig eine starke Wirtschaftsnation bleibt.“
Das Abkommen wird derzeit zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelt. „Wir merken bei unseren Veranstaltungen, dass dieses Thema viele Menschen umtreibt“, so der CDU-Generalsekretär. Es zeige sich aber auch, dass viel Halbwissen im Umlauf ist. Gegner des Abkommens würden bewusst mit falschen Tatsachen argumentieren. ..."
Maude Barlow ist schockiert. Die kanadische Trägerin des Alternativen Nobelpreises hat den geleakten Text von CETA gesehen und sagt: “Er beseitigt, was an demokratischer Regierungsführung noch übrig ist.” Tief besorgt bittet sie Europa, das Abkommen abzulehnen.
Maude Barlow, Jahrgang 1947, ist langjährige Vorsitzende des Council of Canadians, der größten Bürgerrechtsorganisation Kanadas, und Mitbegründerin der Umweltschutzbewegung Blue Planet Project, die das Trinkwasser vor der Bedrohung durch Handel und Privatisierung schützen will. Zudem ist sie Ratsmitglied im World Future Council und Vorstandsmitglied des International Forum on Globalization. Zuvor beriet sie den früheren kanadischen Premierminister Pierre Trudeau und war aktiv im Widerstand gegen das letztlich gescheiterte Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI), das ebenfalls Großkonzernen neue Privilegien gegenüber Staaten und der Bevölkerung geben sollte. Für ihr Engagement für das Grundrecht auf Wasser wurde sie 2005 mit dem Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) ausgezeichnet.
Wie am Beispiel
NAFTA sich Europa im Kontext CETA, TTIP, TISA verändern wird - über Gewinner und Verlierer!
"Für
Kanada waren die Auswirkungen von NAFTA dramatisch. Die größte Gefahr geht von Investor-Staat-Schiedsstellen aus. Kanada lebt seit 20 Jahren mit einer ähnlichen Bestimmung und kann die zutiefst
undemokratische Natur dieses Privilegs für Unternehmen bezeugen. Kanadas Süßwasser-Vorräte sind direkt betroffen. Die kanadische Trägerin des Alternativen Nobelpreises hat den geleakten Text von
CETA gesehen und sagt: “Er beseitigt, was an demokratischer Regierungsführung noch übrig ist.” Tief besorgt bittet sie Europa, das Abkommen abzulehnen."
"Nach Weltbankstatistik haben die 500 transkontinentalen Privatkonzerne - alle Sektoren zusammen genommen - im letzten Jahr 52,8 Prozent des Weltbruttosozialprodukts kontrolliert. Wir leben unter der Weltdiktatur der Oligarchien des globalisierten Finanzkapitals. Diese Oligarchien entfliehen jeder staatlichen, sozialen, demokratischen Kontrolle. Sie haben eine Macht wie nie ein Kaiser, König oder Papst sie je gehabt hat auf dieser Welt. Sie funktionierenausschließlich – das ist normal – nach dem Prinzip der Profitmaximalisierung.
Die Arroganz der transkontinentalen Privatkonzerne ist abgrundtief und grenzenlos. Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist der Ausdruck dieser Arroganz und dieses Allmachtwahnes. Wir leben unter einer kannibalistischen Weltordnung. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren.
Dieser Freihandelsvertrag, der die Souveränität der Staaten liquidiert, muss mit allen Mitteln der Vernunft und der demokratischen Mobilisation bekämpft werden."
Fabian Schneider - Veröffentlicht am 23.03.2014
Interviewpartner und Teinehmer Podiumsdiskussion: Dr. Stormy-Anika Mildner (BDI), Peter Fuchs (Power Shift e. V.), Michael Vollbrecht (Vertretung der EU-Kommission in Berlin), Dr. Jürgen Borchert (wiss. Beirat Attac), Marianne Henkel (BUND), Sven Gigold (MdEP / Die Grünen)
Das Handels- und Investitionsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU soll, so versprechen EU-Kommission und Wirtschaftsverbände, Wachstum und Arbeitsplätze bringen. Doch Kritiker befürchten, dass damit grundlegende demokratische, soziale und ökologische Standards auf Dauer außer Kraft gesetzt werden - insbesondere durch das umstrittene Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS). Deutschland habe, so Peter Fuchs von der Organisation PowerShift, bereits in etwa 140 Investitionsabkommen vor allem mit Ländern des globalen Südens solche Schiedsverfahren eingeführt, die es deutschen Unternehmen erlauben, Regierungen wegen entgangener Profite vor außergerichtlichen Tribunalen zu verklagen. Mit TTIP könnte nun umgekehrt auch Deutschland vermehrt Ziel solcher Klagen werden. Inakzeptabel sei außerdem die geplante „regulative Kooperation", die Lobbyisten privilegierten Zugang zur Gesetzgebung biete, sowie die aktive Geheimhaltung der Verhandlungsinhalte.
"... Die Gespräche über ein transatlantisches Freihandelsabkommen haben ohne ein transatlantisches Datenschutzabkommen keinen Sinn. Die EU ist mit 507 Millionen Einwohnern (Amerika: 314) und einem Anteil von etwa 28 Prozent an der weltweiten Wirtschaftsleistung (Amerika ungefähr 26 Prozent) ein machtvoller „Global Player“.
Im Falle konzertierten Zusammenwirkens eröffnen sich ihm Einflussmöglichkeiten, die er bisher bei weitem nicht ausgeschöpft hat. Die Ausfuhren aus der EU nach China haben sich im Zeitraum 2000 bis 2009 nahezu verfünffacht. Die Schaffung von Arbeitsplätzen steht und fällt daher nicht allein mit der Frage einer Freihandelszone.
Die Vereinigten Staaten haben an einer Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen ein mindestens so großes Interesse wie Europa, also müssen Handels- mit Bürgerrechtsfragen politisch verbunden werden. „Big Brother“ und „Big Data“ (Nachrichtendienste und das private Internet-Oligopol) arbeiten in der technischen Wirklichkeit ohnehin Hand in Hand. Europa kann mit Selbstbewusstsein sagen: Freiheit steht vor Freihandel. ..."
Frankfurter Allgemeine Zeitung 08.10.2013 "Freiheit geht vor Freihandel"
TTIP ist Anschlag auf die parlamentarische Demokratie
“Das ist ein Eingriff in die Gesetzgebungshoheit, ein Eingriff in die Souveränität, ein Anschlag auf die parlamentarische Demokratie. Ich wünsche mir, dass diese Verhandlungen scheitern. Und sollten sie nicht scheitern, sollten die Parlamente dieses Abkommen ablehnen. Und wenn die das nicht tun, müssen das Bundesverfassungsgericht und der EU-Gerichtshof dieses Abkommen zerreißen.”
Hintergrund: Bislang können Konzerne Deutschland nicht am Rechtsstaat vorbei vor einem geheimen Schiedsgericht verklagen, doch mit dem geplanten Handels- und Investitionsabkommen TTIP soll sich das jetzt ändern. Wie TTIP würde auch CETA – ein weiteres Abkommen – Konzerne ermächtigen, EU-Staaten auf Schadenersatz zu verklagen – immer dann, wenn neue Umweltauflagen, Verbraucherschutzgesetze oder bessere soziale Standards ihre Profite bedrohen. Wenn wir CETA verhindern, dann sind die Chancen gut, auch TTIP zu stoppen.
Das Zitat stammt aus einem aktuellen Interview mit dem Zeitungsmacher bei telepolis, einem Dienst von heise online.